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Intro/
Interview/ Biografie/
Zu Jonathan Meese fällt mir spontan nur folgender
Satz ein: Wenn die Revolution so sympathisch daherkommt, dann muss man einfach
mitmachen. Ich hatte ihm mit meiner Interviewanfrage auch eine Ausgabe der
von mir herausgegebenen Reden Adolf Hitlers zur Kunst- und Kulturpolitik
mitgeschickt und bekam als Antwort nicht nur eine Zusage, sondern ein Paket
mit Katalogen und Büchern seiner Arbeiten, die er für mich signiert
und mit Illustrationen versehen hatte. Das Hitlerbuch hatte er schon, wie
ich viel später erfahren habe, und Kataloge zu beschriften und mit
kleinen Zeichnungen zu versehen, ist Teil seiner Kunst, ich meine, sogar
ein wichtiger. Wir waren vor den Deichtorhallen in Hamburg verabredet, wo
gerade seine Ausstellung „Mama Johnny” lief. Jonathan war 10
Minuten zu spät, also mehr als pünktlich, wenn man seinen Terminkalender
kennt. Trotzdem hat er sich gleich für die Verspätung entschuldigt.
Noch bevor wir in die Ausstellung kamen, wurde er von einem jungen Paar
vor der Tür angesprochen und war sofort in ein „kurzes“
Gespräch verwickelt. Drinnen ging’s dann grad so weiter. Das
Personal war hocherfreut ihn zu sehen, ein Aufseher hatte sogar extra daheim
am Computer einen eigenen „Meese-Katalog“ fabriziert und diskutierte
jetzt mit Jonathan über die Qualität von Druckern. Endlich hatten
wir uns dann in der Kindermalecke des museumspädagogischen Dienstes
hinter einem Vorhang „versteckt“ und konnten beginnen. Eine
Kindermalecke passt sehr gut zu Jonathan, wie sich später im Gespräch
herausstellte. Das Beste an Picasso, Nietzsche, Heidegger und seinen sonstigen
Idolen sei, dass sie wie Kinder seien. Das Gespräch verlief sehr nett
und bescheiden, es entwickelte sich ein intensiver Dialog, was nach dem
„Monolog“ mit Slavoj Zizek eine ungewohnte Erfahrung für
mich war. Erst bei der Transkription bemerkte ich dann richtig, wie gut
Jonathans Antworten waren und dass sich dahinter eine facettenreiche Theorie
verbirgt, die auf ihre Entfaltung wartet, das heißt,. seine Kunst
ist die Entfaltung dieser Theorie und umgekehrt. Nach dem Interview wurde
Jonathan sofort von einem älteren Ehepaar in Beschlag genommen und
kam erst nach einer halben Stunde wieder. Das Bild passt auch ganz gut:
Sobald Jonathan hinter dem „Vorhang“ auftaucht, wird er zur
öffentlichen Person, er besitzt mittlerweile einen „Star-Status“,
wie es ihn in der Kunstwelt schon lange nicht mehr gegeben hat. Alle lieben
Jonathan Meese, alle wollen Jonathan Meese. Die Ausstellung in den Deichtorhallen
hat mich dann regelrecht umgehauen. Nicht nur die Intensität und Qualität
der Arbeiten, sondern auch die Tatsache, dass es hier jemand offensichtlich
wieder ernst meint mit der Revolution. Auch wenn sie hermetisch ist, auch
wenn sie diesmal von den Dingen ausgehen soll. Solche Positionen gibt es
in der Kunstwelt eigentlich gar nicht mehr und das macht ihren Charme und
ihre Glaubwürdigkeit aus. Wie gesagt, wenn die Revolution so sympathisch
daherkommt, dann muss man einfach mitmachen. |