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Home/ Interviews/ Slavoj Zizek




Iring Fetscher
Michael Hardt
Ilya & Emilia Kabakov
Slavoj Zizek
Peter Bürger
Alfred Hrdlicka
Wolfgang Fritz Haug
Jonathan Meese




 

Intro/ Interview/ Biografie/

Die erste Zusage für ein Gespräch mit Slavoj Zizek hatte ich bereits im Sommer 2004 erhalten. Es sollten dann aber noch einmal 2 Jahre vergehen, bis wir uns im Juli 2006 in seiner Wohnung im Metelkova-Viertel in Ljubljana treffen konnten. Zizek ist ein Weltreisender, zu Hause in den akademischen Symposien und Gesprächsrunden überall auf der Welt. Zunächst waren wir am Rande einer Veranstaltung in Berlin verabredet, wenig später schien das Telefon der beste Weg, da sich Slavoj Zizek mittlerweile hauptsächlich in Argentinien aufhält. Aber endlich hieß es dann doch Ljubljana und ich bekam die Gelegenheit, Zizek an seinem „Ursprungsort“ aufzusuchen, das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. In Intellektuellen-Kreisen kennt man die Stadt hauptsächlich wegen Zizek. Die slowenische Lacan-Schule ist ein feststehender Begriff geworden, obgleich ich sofort den Verdacht hatte, dass der einzige Lehrer und Schüler dieser Schule Zizek selbst ist. Ich fuhr mit dem Nachtzug nach Slowenien. Frühmorgens streifte Zizek dann schon durch das „Künstlerviertel“ in dem seine Wohnung liegt, bewaffnet mit einer Plastiktüte, mit der er offensichtlich vor unserem Gespräch noch schnell einige Einkäufe erledigen wollte. Später ein kurzer Anruf auf dem Handy, wir müssten um eine Stunde verschieben, aber dann habe „Slavoj“ genügend Zeit. Das stimmte auch, denn das ganze Gespräch dauerte letztendlich über 2 Stunden. Der Empfang war herzlich, Zizek immer noch in schmutzig-grauem T-Shirt und verwaschener Jeans, man sollte nicht meinen, dass hier einer der gefragtesten Gegenwartsphilosophen vor mir stand. Die Wohnung war vollklimatisiert, draußen über 35 Grad und Zizek hatte eine Erkältung oder Allergie, wie er später erklärte, was seinen osteuropäischen Akzent noch schwerer verständlich machte. Noch bevor die Kamera eingeschaltet war, waren wir im Gespräch: die akademische Welt, Bekannte, kleine, aber lieb gemeinte Seitenhiebe auf diverse Mitstreiter und und und... Zizek kommt immer vom Hundertsten ins Tausendste, Beispiele lösen philosophische Reflexionen oder kurze politische Statements ab. Mit Zizek sprechen gleicht einer Achterbahnfahrt, bei der man sich gut festhalten muss, um nicht aus dem Wagen zu fallen. Ich hatte viele Fragen dabei, konnte insgesamt aber nur acht unterbringen, „rekordverdächtig viel“ wie mir ein Freund, der Zizek auch schon einmal interviewt hatte, später sagte. Ich will gar nicht erst versuchen, Zizeks faszinierendes Denken zusammen zu fassen sondern lieber ein paar weitere kleine Erlebnisse schildern. Während des Gesprächs versuchte Zizek ständig, das kleine Ansteckmikrofon los zu werden, vermutlich um dann zum Hauptteil übergehen zu können: „schmutzigen Sätze und Anekdoten“, Dinge, die ihn vermeintlich in Verruf bringen könnten, was aber ohnehin zur Strategie seines Diskurses gehört. Am Ende des offiziellen Teils, der nach längeren Anläufen begann, riss er sich das Mikro dann regelrecht vom T-Shirt, um dann das Gespräch noch eine gute Dreiviertelstunde fortzusetzen. In Fachkreisen nennt man solche Mammut-Interviews ein Geschenk und ich wollte Zizeks „wuchernden“ Ausführungen dann auch im späteren Buch genügend Raum schenken, weil es neben den Inhalten vor allem diese faszinierende Art der Verzweigung und Verlinkung ist, die Zizek zu solch einem Ausnahmephilosophen macht. Was er heute sagt, kann morgen schon wieder ganz anders klingen, ist vielleicht auch nicht so wichtig, Hauptsache, die Sprache fließt und kann sich entfalten. Sein Lieblingstrick ist wohl, zu behaupten, dass das, was er sage sowieso immer schon von Lacan gesagt worden sei, um dann alles Mögliche zu behaupten, was überhaupt nichts mit Lacan zu tun hat, sondern seine ganz eigene Theorie ist. Damit das jetzt nicht falsch verstanden wird, Zizek ist unglaublich belesen, vor allem der Deutsche Idealismus und Hegel haben es ihm angetan, Filme verschlingt er genauso wie Bücher, aber auch bei den politischen Tagesereignissen kennt er sich bestens aus. Aber „Geschichten-Erzählen“ und vielleicht auch „-erfinden“ ist ebenfalls eine große Stärke von ihm. Slavoj Zizek lebt übrigens Theorie, das erklärt auch die vollklimatisierte Wohnung. Er sei allergisch gegen das Leben allgemein und das Leben da draußen sowieso, lieber sei er wie ein Vampir. Meine kleinen Interviewkärtchen, die mir halfen, meine Fragen besser zu strukturieren, haben ihn sofort begeistert, das sei wie bei einem stalinistischen Verhör, was ganz und gar nicht negativ zu verstehen sei. Am Schluss des inoffiziellen Teils dann noch ein paar Geschichten über die Stalinallee, die „schönste Straße Deutschland“. Als wir die Wohnung durch den Flur, geschmückt mit Lenin- und Stalingemälde, wieder verlassen wollen und die Ausgangstür nicht gleich finden, noch die Frage an den Kameramann, ob er die Toilette suche. Eine wirklich skurrile Szene, vor allem wenn man die Ausführungen Zizeks zu unterschiedlichen Toiletten kennt. Nach diesem beglückenden Theorie-Marathon gab’s noch ein paar kühle Bier im hochsommerlichen Ljubljana und dann ging es mit dem Nachtzug zurück an den Schreibtisch. Ljubljana ist übrigens eine Stadt, in der eigentlich kaum Autos fahren und in der die, vorwiegend jungen, Menschen offensichtlich den ganzen Tag über Zeit zum Ausruhen und Biertrinken haben. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum Slavoj Zizek selten in dieser Stadt anzutreffen ist und sich regelrecht in seinem Apartment verschanzt.